Erkinderplan in Montessoripädagogik

Die Phase der Adoleszenz in der Montessoripädagogik

Mit der 7. Klassenstufe beginnt nach Maria Montessori der 3. Entwicklungsabschnitt im Heranwachsen eines Menschen. Diese Phase der Adoleszenz erfordert mit ihren veränderten Bedürfnissen eine besondere vorbereitete Umgebung. Neben der Vertiefung intellektueller Fähigkeiten, die der Vorbereitung auf ein Studium dienen können, braucht der Jugendliche die Möglichkeit durch eigenes tätig sein, die Grundstrukturen der Gesellschaft zu begreifen.
Letzteres wird den Schülern, insbesondere der altersgemischten Jahrgangsstufe 7/8, im Rahmen vielfältiger Projekte und Angebote möglich gemacht, die sich an der Freien Montessorischule Huckepack unter dem „Erdkinderplan“ vereinen. Ein wichtiges Element ist hierbei das Gelände in Struppen, was von den Schülern unter Begleitung von 2 Pädagogen entwickelt wird. Dazu verbringen die Schüler, in quartalsweise wechselnder Besetzung, den ganzen Mittwoch und, jeweils zu Beginn und Ende des Schuljahres, eine Woche alsLerngruppe auf dem Gelände.

Die „Schule der Erfahrung (des sozialen Lebens)“…

soll den Heranwachsenden helfen ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, was als treibende Kraft dieser Entwicklungsstufe gesehen wird[1].

Der Übergang vom Kind zum Erwachsenen ist gekennzeichnet durch eine radikale Umwandlung der Person. Maria Montessori fordert, dass ab diesem Zeitpunkt die Erziehung eine ebenso radikale Wandlung erfahren muss[2]. Die Art und Weise zu lernen, sich die Welt anzueignen, die das Kind bisher mit so großem Interesse für Details und die materiellen Dinge ausstattete, wandelt sich nun. Die Phase der Reifezeit, oder Pubertät bringt eine gewisse physische und psychische Instabilität mit sich und  ähnelt in diesem Punkt der Entwicklungsphase 1 des jungen Kindes von 0-6.  Neben erhöhter Krankheitsanfälligkeit und Unsicherheiten aufgrund der plötzlichen körperlichen Veränderung lassen sich psychische Besonderheiten feststellen welche eine Berücksichtigung bei der Schulbildung in diesem Alter finden müssen. Heute von der Entwicklungspsychologie bestätigt, stellte man bereits zu Montessoris Zeiten fest, dass die intellektuellen Fähigkeiten in dieser Phase vermindert sind. Es lässt sich beobachten dass Heranwachsende schöpferische Tätigkeiten bevorzugen und ein großes Bedürfnis haben ihr Selbstvertrauen zu stärken. Maria Montessori sieht in dieser Zeit außerdem eine sensible Periode für Gerechtigkeit und Würde, Charaktereigenschaften die den Menschen darauf vorbereiten sollen ein soziales Wesen zu werden[3]. Aus diesen Besonderheiten leitet Montessori zwei grundlegende Bedürfnisse des Heranwachsenden ab: zum einen beschützt zu sein während dieser empfindlichen Periode des physischen Übergangs und weiter seine Rolle zu begreifen die er einmal als Mensch in der Gesellschaft spielen wird.

Daraus ergeben sich neue Anforderungen an eine Schule für den Heranwachsenden. Maria Montessori stellte sich vor dass die Jugendlichen in einer Organisation leben in der sie einerseits durch Arbeit, d.h. eigenes tätig sein, die Grundstrukturen einer Gesellschaft begreifen und gleichzeitig durch Studium ihr Wissen in bestimmten Bereichen vertiefen. Diese Organisation nannte sie Erdkinder weil diese Kinder tatsächlich über beispielsweise Arbeiten in der Landwirtschaft von den Ursprüngen her unsere Kultur begreifen sollen[4]. Zunächst einmal hält Montessori es daher für wichtig dem Heranwachsenden zu ermöglichen seine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erreichen.  Sie sieht vor dem praktischen vor allem einen erzieherischen Nutzen darin, denn der Jugendliche erfährt dass er fähig ist im Leben durch seine eigenen Anstrengungen und Verdienste zu bestehen. Sie sieht durch die Abhängigkeit vom Elternhaus hier sogar die Würde der Heranwachsenden verletzt, da diese Lebenssituation ihn meist in einem passiven Zustand hält, der ihm nicht erlaubt den Wert  seiner eigenen Fähigkeiten zu erfahren[5]. Für diese Arbeit der Jugendlichen sieht Montessori eine Art geschützten Rahmen vor, der es dem Einzelnen erlaubt sich frei von Wettbewerb auszuprobieren und seine persönlichen Talente zu entdecken. Sie hält es für sehr wichtig dass die Heranwachsenden zunächst mit Hilfe der Schule durch eine Reihe von einfachen und leichten Erfahrungen gehen, bevor sie dann gut vorbereitet in die Gesellschaft entlassen werden[6].

 

[1] Laurie Ewert-Krocker, „Community, Morality and the Adolescent“, Vortrag zur 12. Internationalen Montessori-Tagung in Pelham, 02.01.2015
[2] Paul Oswald: Maria Montessori – Von der Kindheit zur Jugend, Freiburg 1966, S.98
[3] Paul Oswald: Maria Montessori – Von der Kindheit zur Jugend, Freiburg 1966, S.98
[4] Paul Oswald: Maria Montessori – Von der Kindheit zur Jugend, Freiburg 1966, S.104
[5] Paul Oswald: Maria Montessori – Von der Kindheit zur Jugend, Freiburg 1966, S.100
[6] Paul Oswald: Maria Montessori – Von der Kindheit zur Jugend, Freiburg 1966, S.101